Sind Balkonkraftwerke mit 800 Watt überall in der EU erlaubt?
- Wo in der EU dürfen Balkonkraftwerke 800 Watt Leistung erzielen?
- War Deutschland mit dem Solarpaket I ein Nachzüglerland in Bezug auf die Regelungen zu Balkonkraftwerken?
- Rechtliche Regelungen zu Balkonkraftwerken in der EU im Vergleich
- Warum gibt es überhaupt EU-rechtliche Regelungen zu Solaranlagen und Balkonkraftwerken? Welche Ziele stehen dahinter?
Das Solarpaket I war für viele eine große Erleichterung. Endlich wurde die Leistungsgrenze für Solarpanels auf 800 Watt angehoben. (Vorher lag sie in Deutschland bei 600 Watt.) Dies wurde oft als eine Angleichung an europäische Nachbarländer dargestellt, in denen Balkonkraftwerke mit dieser Leistung bereits länger erlaubt waren. Doch stimmt das wirklich? In welchen EU-Ländern gibt es eine ähnliche Leistungsgrenze? Und gibt es überhaupt EU-Recht, das speziell Balkonkraftwerke betrifft?
Diese Fragen klären wir im folgenden Blogartikel – auch, um es einfacher zu machen, zukünftige rechtliche Entwicklungen in Bezug auf Balkonkraftwerke einzuschätzen.
Wo in der EU dürfen Balkonkraftwerke 800 Watt Leistung erzielen?
Seit dem Inkrafttreten des Solarpakets I Anfang 2024 dürfen auch in Deutschland Balkonkraftwerke mit bis zu 800 Watt Leistung offiziell betrieben werden. Damit wurde eine Anpassung an viele europäische Nachbarländer vorgenommen – zumindest auf den ersten Blick. Doch die Realität ist komplizierter: Die Regelungen zu Balkonkraftwerken in der EU unterscheiden sich teils deutlich – sowohl hinsichtlich der maximal zulässigen Einspeiseleistung als auch bei Meldepflichten und in Bezug auf Netzkompatibilität.
In den Niederlanden, Belgien oder Italien sind Balkonkraftwerke mit 800 Watt oder sogar darüber hinaus zum Beispiel bereits seit Jahren üblich. In Österreich hingegen galt lange ebenfalls ein Grenzwert von 600 Watt – dieser wurde erst 2024 im Zuge wachsender Nachfrage auf 800 Watt angehoben. Unser Nachbarland Frankreich erlaubt bis zu 800 Watt, verlangt aber eine komplexe Anmeldung beim Netzbetreiber.
Überall in der EU müssen Balkonkraftwerke bestimmte technische Anforderungen erfüllen, etwa die Verwendung konformer Mikrowechselrichter oder bestimmte Anmeldekriterien. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Regelungen in anderen Ländern:
Land | Leistung (Watt) | Meldepflicht | Besonderheiten |
Deutschland | 800 | Ja (Marktstammdatenregister) | Plug-and-Play erlaubt, Solarpaket I gilt seit 2024 |
Österreich | 800 | Ja (teilweise online möglich) | Erhöhung auf 800 W erst seit 2024 |
Niederlande | 800+ | Ja (Netzbetreiber) | Kaum bürokratische Hürden, sehr PV-freundlich |
Belgien | 800+ | Ja | Stabile Regelungen, netzfreundlich |
Frankreich | 800 | Ja (strikte Vorgaben) | Anmeldung komplex, aber grundsätzlich erlaubt |
Italien | 800+ | Ja | Sehr einfache Anmeldung, hohe Toleranz gegenüber Plug-and-Play |
Spanien | 600 | Ja (teilweise kompliziert) | Technische Barrieren, regionale Unterschiede |
Polen | 600 | Ja | Strenge Netzeinspeiseregeln |
Ungarn | 500 | Ja | Begrenzte Erfahrung mit Balkonkraftwerken, kein einheitlicher Standard |
Portugal | 800 | Ja | Aktiv gefördert durch staatliche Stellen, einfache Umsetzung |
Tschechien | 600 | Ja | Langsame Umsetzung, Registrierung erforderlich |
War Deutschland mit dem Solarpaket I ein Nachzüglerland in Bezug auf die Regelungen zu Balkonkraftwerken?
Deutschland galt lange Zeit als Vorreiter bei großen Photovoltaikanlagen – bei den Balkonkraftwerken hingegen tat sich die Politik lange schwer. Während Länder wie Portugal oder Italien Kleinanlagen mit bis zu 800 Watt schon früh tolerierten und sogar förderten, hielt Deutschland bis 2023 an der 600-Watt-Grenze fest.
Das lag vor allem an zwei Punkten: dem eher konservativen Umgang mit Netzrückspeisung im privaten Bereich und der Angst vor Überlastung dezentraler Netze. Beides wurde im Solarpaket I angepasst. Damit können nun auch private Haushalte aktiv zur Energiewende beitragen.
Für Sie als Besitzer eines Balkonkraftwerks bedeutet das: Sie profitieren heute nicht nur von mehr Leistung, sondern auch von klaren Regeln und einem sicheren Netz. Außerdem lässt sich die Effizienz Ihres Balkonkraftwerks erhöhen, wenn Sie es mit einer Solarbatterie verknüpfen. So haben Sie immer selbst erzeugten Strom vorrätig und steigern Ihren Eigenverbrauch.
Rechtliche Regelungen zu Balkonkraftwerken in der EU im Vergleich
In Europa gibt es einen regelrechten Flickenteppich in Bezug auf Balkonkraftwerke. Dieser lässt sich grob in drei Kategorien unterteilen:
Länder mit klar geregelter 800-Watt-Grenze: Dazu zählen u. a. die Niederlande, Frankreich, Österreich und seit Kurzem auch Deutschland. Die Anmeldung beim Netzbetreiber oder Marktstammdatenregister ist hier meist Pflicht, aber unkompliziert – oft reicht ein Online-Formular.
Länder mit niedrigeren Leistungsgrenzen: In Polen oder Ungarn liegt die Grenze aktuell noch bei 600 Watt oder weniger. Dort gilt: Wer mehr Strom erzeugen will, braucht eine Genehmigung und unterliegt anderen Anschlussbedingungen.
Länder mit kaum geregelten Rahmenbedingungen: In Rumänien oder Kroatien gibt es zwar Ansätze, aber noch kein konkretes Gesetz zur Regelung von Balkonkraftwerken. Hier hängt vieles von der regionalen Netzverwaltung ab.
Für Verbraucher ist die aktuelle Lage unübersichtlich. Wer in der EU umzieht oder ein Balkonkraftwerk im Ferienhaus betreiben möchte, muss sich im Vorfeld also genau über die landesspezifischen Regelungen informieren.
Gibt es EU-Recht in Bezug auf Balkonkraftwerke, das die Länder einzeln umsetzen müssen?
Es existiert bislang kein explizites EU-Gesetz, das sich ausschließlich mit Balkonkraftwerken befasst. Allerdings gibt es mehrere übergeordnete Richtlinien, die von allen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen sind – etwa die EU-Richtlinie 2018/2001 zur Förderung erneuerbarer Energien. Das heißt, das EU-Recht zu Balkonkraftwerken gibt die Richtung vor, die genaue Umsetzung variiert von Land zu Land.
Die EU verpflichtet die Mitgliedsstaaten u. a. dazu, Eigenverbrauch von Solarstrom zu erleichtern, bürokratische Hürden abzubauen und den Zugang zum Netz zu ermöglichen. Genau hier greifen nationale Gesetze wie das deutsche Solarpaket I.
Welche EU-Richtlinien zu Balkonkraftwerken müssen in Deutschland aktuell noch umgesetzt werden?
Obwohl Deutschland mit dem Solarpaket I viel Boden gutgemacht hat, gibt es noch offene Punkte, wenn es um die vollständige Umsetzung der EU-Vorgaben geht. Besonders relevant ist derzeit die geplante Reform der EU-Strommarktrichtlinie, die noch 2025 finalisiert werden soll.
Diese fordert u. a. ein Recht auf Netzzugang für kleine Stromproduzenten, eine erleichterte Einspeisung von Strom aus Balkonkraftwerken und standardisierte Meldeverfahren und Schnittstellen. In der Praxis bedeutet das: Deutschland muss spätestens bis Ende 2025 weitere Anpassungen vornehmen.
Warum gibt es überhaupt EU-rechtliche Regelungen zu Solaranlagen und Balkonkraftwerken? Welche Ziele stehen dahinter?
Die EU verfolgt ambitionierte Klimaziele. Bis 2030 sollen die Emissionen im Vergleich zu 1990 um mindestens 55 % gesunken sein. Photovoltaikanlagen – auch in Form kleiner Balkonkraftwerke – spielen dabei eine zentrale Rolle.
Auch die Stärkung der dezentralen Energieversorgung steht im Fokus. Statt großer Kohlekraftwerke soll die Energieversorgung in Zukunft breit gestreut werden – und zu großen Teilen auf Dächern, Balkonen und in Gärten stattfinden. Das entlastet die Netze, erhöht die Resilienz gegenüber Stromausfällen und senkt dauerhaft die Stromrechnung im Haushalt und die CO2-Bilanz insgesamt.